Sagenhaft, was technisch alles möglich ist. Während eine Person in Rio de Janeiro sitzt, kann sie mit einer anderen Person sprechen, die 10 km entfernt ist. Dabei handelt es sich zweifellos um „das größte Wunder, das je auf dem Gebiet der Elektrizität vollbracht worden ist“. Das war die allgemeine Resonanz, die das Telefon auf einer Ausstellung im Jahre 1876 beim damaligen Kaiser von Brasilien und den Wissenschaftlern in seinem Gefolge hervorrief. Der Siegeszug dieser technischen Neuerung nahm fortan seinen Lauf. Es hat sich seither eine Menge getan. Der Kaiser würde auch heute wieder staunen.
Zunächst ist es die Optik des Telefons, die den Kaiser bezaubern würde. Was seinerzeit eine sperrige Konstruktion war, die zum Sprechen erst ans Ohr und dann an den Mund gehalten wurde, wäre für ihn in seiner heutigen Form nicht mehr als Telefon erkennbar. Überhaupt hat das Gerät, wie es heute verwendet wird, nicht mehr viel mit dem zu tun, was der deutsche Tüftler und Erfinder Johann Philipp Reis aus dem hessischen Friedrichsdorf am 26. Oktober 1861 der Physikalischen Gesellschaft in Frankfurt als seinen Fernsprecher präsentierte.
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Um das Telefon und seine Anwendungen ist eine Industrie entstanden. Seine eigentliche Funktion, das Telefonieren, ist nun eine von vielen. Wir nutzen Mobiltelefone für das Internet, als Tagebuch, Telefonverzeichnis, Wecker und Fotokamera. Seine Kompatibilität mit dem Internet ist unverzichtbar, die meisten Services basieren auf einer Internetverbindung. Die für viele Menschen nicht mehr wegzudenkenden sozialen Netzwerke beziehen ihre Anziehungskraft auch aus der permanenten Verfügbarkeit im Telefon. Soziale Netzwerke und Telefon bilden eine Symbiose.
Das nutzt zum Beispiel der Online-Service dialo.de, der ein Telefonbuch mit Bewertungen anbietet. Nutzer haben die Möglichkeit, ihre Bewertungen mit ihrem Facebook- oder Twitter-Account zu bestätigen. So verbreiten sich die persönlichen Meinungen und Empfehlungen auch schnell im Facebook Freundeskreis und unter den Followern auf Twitter.
Eines der ersten öffentliche Fernsprechnetze entstand 1881 in Berlin mit 48 Teilnehmern. Doch das Telefonieren stieß zunächst auf Skepsis. „Buch der Narren“ wurde deshalb das ganz frühe Telefonverzeichnis genannt, das im Jahr 1881 in Berlin erschien. Die Ausbreitung des Apparats war aber nicht aufzuhalten. Doch bis in die 1990er Jahre war Telefonieren teuer. Und lange davor gehörte es zu den Statussymbolen wie heute etwa Schönheitsoperationen oder ein Ausflug ins All. So soll Marlene Dietrich derart verliebt in den Apparat gewesen sein, dass sich ihre monatlichen Telefonrechnungen auf mehr als 15000 D-Mark summierten.
Seiner Rolle als „Fernsprecher“ ist das Telefon längst entwachsen. Welche Rolle es künftig spielen wird, ist nicht absehbar. Würden wir es heute schon wissen, wären wir eventuell ähnlich sprachlos wie der Kaiser von Brasilien, als er das erste Mal mit einer Person sprach, die er nicht sehen konnte. Werden wir einst staunen, wenn nicht nur der Raum, sondern auch die Zeit überwunden wird?